Das erst in den letzten Jahren entstandene Werkzeug ‚Abstraktion‘ lässt mich bezüglich Tagen, Monaten und Jahren staunen. Das Jahr 2020 als menschliches Konstrukt, als Ebene, auf die sich ein Teil der Menschheit beziehen kann, um großflächiges Wirken erst zu ermöglichen. Und wie gerne verrücke ich mich von dieser Ebene, um mir vorzustellen, wie die Zeit ohne Rahmen einfach nur dauert, und wir, verwoben mit ihr, auch.Dieses Jahr sind mir einige Prizipien klar geworden:
Alles stimmt.Nichts schweigt.Ein Sehnen: nirgendwohin. Ein Trauern: tief aus dem Herzen heraus,wie weit von weinerlichund Glück – wie der schwere Schnee auf Dächern und auf Straßen hockt,wie ich in mirschwere.Schwere füllt mein Inneres aus –ich fühle mich satt,satt von kurzen Wintertagen,satt von Hoffnung, von Tod – davon, dass nichts bleibt,in keinem Augenblick,nur der Augenblick selbst. Wien 2018
Wie soll ich erklären können,dass alles aus einer Beschaffenheit besteht, die in jedem Augenblickzusammenbricht und neu entsteht? Wie soll ich zeigenkönnen, was nur ein Zeuge für sich selbst erfahren kann? Unverständlich, doch da –die Wirklichkeit, die Illusion. Wien 2018
Wenn der beste Freund auf der Bühne ist, man in der Kantine auf ihn wartet, und wartet, und wartet … kann so etwas entstehen. Burgtheater-Inspiration.
Der Blick auf einen altbekannten Baum, aus dem Fenster eines fremden Zimmers, in Medell Hochkreuz.
Servus! Ich bin ein Sklave meiner selbst. Meines Selbst. Seitdem ich mich erinnern kann, bin ich hier. Hier ans Eisen gekettet, und wo mich niemand hören kann. Das Gute an meiner Lage: niemand, der mich geißelt, bestimmt, beherrscht – denn als mein eigener Sklave, ich mein‘ … da ist es ja wieder! Das fremde Licht! Dieses warme, wohlige – wenn diese verdammten Ketten nicht – jetzt lasst mich dorthin, verdammte – aaaah! Jaah … dieses Licht … schwarzer Nebel? Feuer? Schreie? Was macht die Hölle denn jetzt hier? Dann ist’s wohl wieder an der Zeit. Los, ich bück‘ mich. Ich lass mich leiden – genau! Bestrafung ist richtig! Das – hab‘ ich verdient! Und das! Und das! Das war gut! […]
Netflix‘ Opium-Eigenschaft ist mittlerweile bekannt – und dazu noch die Angebotsfülle, die ähnlich erdrückend ist wie der Besuch einer Bibliothek. Da kam mir eine Dokumentation über Ted Bundy unter, die für mich offenbart hat, zu welcher Verschleierung ein Mensch fähig ist. Ich fand es erschreckend wie harmlos und charmant Bundy wirkt und zu welchen Grausamkeiten er fähig war: ihn als kolerischen Sexisten zu bezeichnen wäre wie Ausschwitz mit einer Hüpfburg auf einem Kindergeburstag zu vergleichen. Kein perfektes Portrait, aber eine Studie mit einer eingefangene Emotion.
Als erstes braucht man einen dem dekadenten, westlichen Zeitalter entsprechenden leibigen Körper, der in Kombination mit dem nach einen zuckrig-gefüllten Magen gierenden Teil seines Gehirns jegliche Zeit ohne Nahrung als Extremsituation empfindet, um so eine der besonderen Formen des Übermenschen im gestopften Europa zu präsentieren: ein Überesser. Als Überesser findet man sich irgendwann an dem Punkt, an dem man seit Jahrzehnten den ganzen Tag lang isst: nicht die Menge, aber ständig; ständig in Verbindung mit allen Trivialitäten des Alltags: ob beim Fernsehen, oder Toilettengang, beim Zeitungslesen oder ein kleines Mitternachtshäppchen zwischendurch.Als zweites braucht man eine 4-köpfige, männliche, chinesische Reisegruppe, deren hinterlistig leises, introvertiertes Sein durch das gebannte Starren auf ihre Digital-Diktatoren fast vergessen lässt
Er sitzt allein,auf einer Bank so zitternd,die Schwere seines Schicksalsin den großen Afrikanischen Augen – In einer Wolke aus Obdachlosigkeitatmet er ein die Hoffnungund aus die Lebensaufgabe: Vor ihm der Becher aus Pappe,in dem eine Münze schimmert. Wien 2019
Im Hauchestanz um Hautenweltglitzern Gefühlsgrenzen an fernglasiger Fremde,hinter der das Anderherzzum Körperriss emporklirrtund das Formdurchsichtige zerscherbt: Schwingungsstöße, Melodiestöhnen,zungende Lippenlust an Lustlippen,Körperklaffen, Geborgenheitsschillern,schattiger Orgasmusglanzbeider – – Die Schonsehnsucht trotz Jetztnäheschlafflüchtet aus dem Blößeliegen und fasst unser schamstarres Zwischenunsseinmit unseren Berührungssplittern. Wien, Juli 2019