„Nur derjenige, der von uns gegangen ist, ist derjenige, der zu uns gehört. Verstehst du, mein Lieber?“
„Aber, Opa! Das hat doch gar nichts damit zu tun.“
„Was soll womit was zu tun haben?“
„Mann! Hörst du mir nicht zu: Ich saß mit einem Freund und einem Bekannten beim Frühstück, in einem Hotel, das voll von Malereien war; auch neben meinem Freund hing ein Bild. Ein Mann war darauf zu sehen. Beim Rumreichen der Semmeln dann scherzte ich, dass dieser Mann im Portrait ja auch wahnsinnigen Hunger haben müsse – und daraufhin hat mein Freund dem Bild eine Semmel hingehalten“
„Und was ist passiert?!“
„Ja nichts ist passiert, Opa. Das ja war nur ein Bild.“
Ein Grinsen breitete sich über das faltige Gesicht aus. „Folge mir“, sagte er, stand auf, nahm seinen Stock und schlurfte durch die Stube zur Tür; ging durch den langen, schmalen Flur, an dem einige Gemälde hingen, und blieb beim Letzten stehen. Er beugte er sich vor, flüsterte etwas und sah mich an. „Jetzt musst du genau hinschauen.“
Doch auf der Leinwand veränderte sich nichts. Das dunkle Schlafzimmer mit dem Nachttisch in der Mitte und darauf die einsame Lichtquelle. Daneben, im Schein, das schlafende Kleinkind in der Wiege. Und auf dem Boden, kaum vom Licht berührt, die Mutter – erschöpft oder tot.
„Ich seh‘ immer noch die gleiche Leinwand, Opa.“
„Ach ja? Und was erkennst du in dem kleinen Bilderrahmen, der da neben das Fenster hingemalt wurde?“
„Nichts. Das ist zu dunkel gemalt.“
Er schnaubte. Sah mich an und ging an mir vorbei, verschwand in der Stube. Und ich starrte auf die kleine, dunkle, undeutliche Malerei in der Malerei. Hm … Vielleicht eine Vase mit Blumen – vielleicht aber auch eine blondlockige Frau, die im Profil zum Himmel schaut … „Ja … Blumen oder eine Frau, Opa! Und – und jetzt?“
Keine Antwort. Also ging ich zurück. Doch da war – niemand. „Opa?“
Nichts. Dann Kinderschreien, hinter mir. Ich drehte mich um, eilte durch die Tür in einen dunklen Raum, wo auf dem Boden eine Frau lag und ein Kind in einer Wiege schrie: Da erkannte ich, dass ich träumte. Dass das hier bloß ein Traum war! Also musste ich aufwachen! Und ich öffnete ich die Augen: Licht auf mir. Das Zimmer dunkel. Auf dem Boden Mama. Ich habe Angst, also schreie ich. Schreie und drehe mich hin und her – da geht die Tür auf und ein großes, altes Gesicht lächelt mich an.
„Keine Sorge, mein Kind. Deine Mutter ist bei dir.“
Ich verstumme. Und neben dem Alten taucht ein junger Mann auf.